Samstag, 4. Juli 2009

Eckhart in asiatischer Sicht

Hee-Sung Keel, Meister Eckhart an Asian perspective (Lit. siehe unten, Beitrag 4)
Bedeutsam und für die Forschung anregend ist Keels Auseinandersetzung mit zwei mystischen Konzepten Eckharts, die Shizuteru Ueda (1965) aufgedeckt und seiner Eckhart-Interpretation zugrunde gelegt hat, das Konzept der Gottesgeburt im Seelengrund und das Konzept des Durchbruchsin die Einheit. Keel bemerkt mit Recht, dass diese Unterscheidung in der deutschsprachigen Eckhart-Forschung wenig diskutiert wird, in deutlichem Unterschied zur englischsprachigen. Er bespricht die Interpretationen von Caputo, McGinn und Hollywood und trägt in Differenz dazu seine eigene Ansicht vor, nämlich dass beide Konzepte bei Eckhart gleichgewichtig nebeneinanderstehen, dass das Konzept der Gottesgeburt eher dem neuplatonischen Hervorgang (exitus) der Schöpfung aus dem Einen nahestehe, während der Durchbruch eher zur Rückkehr (reditus) der Seele ins Eine gehöre. Das erste repräsentiere eine Mystik der Vereinigung (mysticism of union), das zweite eine Mystik der Einheit (mysticism of unity). Er lässt dann keinen Zweifel daran, dass für sein eigenes Eckhart-Verständnis das Konzept des Durchbruchs der Zentralaspekt ist, insofern dies die Gott-Mensch-Einheit (divine-human unity) entfalte, dem auch die asiatischen spirituellen Traditionen verpflichtet seien.
Nach meiner Meinung entspringen die Zuordnungsversuche dem Bestreben, Eckharts Lehre in eine systemaische Einheit zu bringen. Eckhart selbst gibt (bei diesem Thema) keinen Hinweis auf eine systematische Zuordnung der beiden Konzepte. Allerdings glaube ich, einen literarischen Entwicklungsschritt von der Gottesgeburtslehre zur Lehre vom Durchbruch zur Gottheit, der Gott und die göttlichen Personen hinter sich lässt, differenzieren zu können. (Siehe meine Aufsätze im Meister-Eckhart-Jahrbuch, Bd. 2 und demnächst in Bd. 3.)

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